Manasse, Oratorium von Friedrich Hagar

Manasse, Oratorium von Friedrich Hagar
Kommunikationsteam

Das in drei Szenen gegliederte Oratorium für Soli, Chor und Orchester zählt zweifellos zu Hegars Hauptwerken und wurde im ganzen deutschsprachigen Raum Europas zum Grosserfolg, ja bis weit ins 20. Jahrhundert hinein zu einem der meist aufgeführten Oratorien überhaupt.

Ursprünglich für reinen Männerchor geschrieben, erlebte es im Oktober 1885 die gefeierte Erstaufführung in seiner heutigen Fassung, damals unter Mitwirkung des Männerchors Zürich und der Harmonie, zwei der Gründerchöre der Tonhalle.

Verfasser des auf biblischen Grundlagen basierenden dramatischen Gedichtes war Joseph Victor Widmann, Feuilleton-Redaktor beim Berner Bund und ‚literarisches Gewissen der Schweiz‘, der im selben Zürcher Zirkel wie Hegar und Brahms verkehrte.

Sein hochaktueller Text wirft ein Schlaglicht auf das Israel nach der babylonischen Gefangenschaft, als nach der ersten Euphorie der Befreiung und des Wiederaufbaus religiöser Eifer, Intoleranz und Fremdenhass überhand nehmen, die sich vor allem gegen die verbreiteten Mischehen zwischen Israeliten und stammesfremden heidnischen Frauen richten. Manasse, Sohn eines Hohepriesters und selber liiert mit einer Samaritanerin, wird hier zur Symbolfigur, die sich Esra, einem Priester, Schriftgelehrten und Anführer der Reinigungsbewegung entgegenstellt. Statt wie gefordert seine Frau Nicaso zu verstossen, zieht er mit ihr und einer Schar von Gleichgesinnten hocherhobenen Hauptes in die Verbannung.

Mit der Dramatisierung der alttestamentarischen Episode schuf Widmann ein Werk, das bis heute nichts an Brisanz und Bedeutung eingebüsst hat.

Hegar seinerseits gelang eine musikalische Umsetzung, über die der damalige Rezensent der NZZ voller Begeisterung schrieb: „das Schwungvollste, das Beste, was Hegar schon geschrieben. Der Eindruck den das Werk auf uns machte war ein vortrefflicher; alles klang frisch und feurig, hatte Fluss, die Themen waren voller Kraft“.

Szene 1: Lobpreisung und Verdammnis

Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft zur neuerrichteten Tempelmauer, mit Lobgesang zu Ehren Jehovas und dem Gelöbnis zum Dank das Volk von der Sünde zu reinigen und die Ungläubigen, insbesondere die eingeheirateten heidnischen Frauen und ihre Kinder, zu verstossen.

Szene 2: Aufgebot nach Jerusalem

Die von der Feldarbeit heimkehrenden Schnitter treffen auf Manasse, den Sohn des Hohepriesters Jojada. Man lobt gemeinsam die Arbeit und die Ernte und wähnt sich in Gottes Hand.

Da erscheint ein Bote, der Manasse nach Jerusalem zitiert, wo er vor Esra, dem Anführer des jüdischen Volkes, öffentlich seinem fremden, heidnischen Weib abschwören soll.

Szene 3: Widerstand und Verbannung

Manasse erscheint vor Esra und wagt es ihm zu trotzen, da er sich in der Liebe zu seiner Frau Nicaso in Gott aufgehoben und bestätigt sieht. Esra und die Priester verfluchen und verstossen ihn.

Manasse fordert alle, die in seinem Sinne denken und handeln auf, mit ihm und Nicaso in die Verbannung zu ziehen. Was zum Schluss in hoffnungsvoller Zuversicht geschieht. Am Ende siegen die Liebe, die Weisheit des Herzens und das Recht auf Religionsfreiheit…

Friedrich Hegar machte Zürich zur Musik-Metropole

Gerade mal 21 Jahre zählte der Basler Friedrich Hegar, als er 1862 von Theodor Kirchner, dem Leiter der Abonnementskonzerte der Allgemeinen Musik-Gesellschaft (AMG) nach Zürich berufen wurde.

Friedrich Hegar, Komponist

Man kannte sich aus der gemeinsamen Studienzeit am renommierten Konservatorium Leipzig, wo der damals 16-jährige, notabene gemeinsam mit Johannes Brahms, das Komponieren erlernte.

So jung Hegar war, so reich gefüllt war bereits sein musikalischer Rucksack, den er in die Limmatstadt mitbrachte. Als Dirigent in Warschau und stellvertretender Kapellmeister unter dem berühmten Kammersänger Julius Stockhausen im elsässischen Gebweiler, hatte er schon ein beachtliches Netzwerk geknüpft, das ihm an seiner neuen Wirkungsstätte gute Dienste leistete und sich für Zürich als grosser Gewinn herausstellte. Denn der junge, tatendurstige Basler wurde rasch zur prägenden Figur in Zürichs Musikwelt.

Nicht nur übertrug man ihm die Leitung der AMG-Abonnementskonzerte, nach kaum zwei Jahren übernahm er bereits auch das Dirigat des Orchestervereins und des Chors am Zürcher Theater, dirigierte danach den neu gegründeten Gemischten Chor Zürich und verschiedene weitere Chöre, initiierte und leitete von 1875 bis 1914 das Konservatorium Zürich und führte als Dirigent des Tonhallevereins das Orchester rasch zu internationalem Ansehen. Darüber hinaus holte er die wichtigsten Interpreten und Komponisten der damaligen Zeit an die Limmat. Friedrich Hegar war für das provinzielle Zürich zweifellos ein Glücksfall, machte er die Limmatstadt doch zu einer der wichtigsten Musik-Metropolen Europas.

Aber nicht für Zürich allein war Hegar eine prägende Figur. Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war er auch international einer der einflussreinsten Köpfe für die Musikentwicklung. So trieb er als Direktor des Konservatoriums die Verbesserung der Ausbildung für die jungen Musiker kontinuierlich voran. Und als Chorleiter, unter anderem auch des Männerchors Zürich, förderte und reformierte er vor allem den Männergesang. Aber auch als Komponist schaffte sich Friedrich Hegar rasch europaweit einen klingenden Namen und schliesslich fanden unter seiner Ägide mehrere Musikfeste, darunter 1900 das erste Schweizerische Tonkünstlerfest statt.

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